Eine kleine Weltreise ist es von Zürich aus ja schon, will man ins berühmte Verzascatal ganz im Süden der Schweiz (Tessin) mit öffentlichen Verkehrsmitteln gelangen. Gute 3 ½ Stunden sollte man hierfür einplanen und wenn man am selben Tag wieder zurückfahren möchte wie ich, bedeutet das sehr viel Zeit in Bahn und Bus. Aber es lohnt sich! Durch den Gotthard-Basistunnel auf der Alpensüdseite angekommen, kommt sogleich Ferienstimmung durch die mediterrane Landschaft und das milde Klima auf. Grosse Aufmerksamkeit erzielte das Tal, als im vergangenen Jahr ein paar lustige Blogger die Badegumpen vor der eindrücklichen, mittelalterlichen Brücke Ponte die Salti bei Lavertezzo für sich entdeckten – und so auf Instagram weltweit bekannt machten.
Mein Ziel ist zunächst aber das hinterletzte Dorf Sonogno am Ende der schmalen Passstrasse. Der Weg hier hin mit dem Postauto dauert eine Stunde vom Bahnhof in Tenero. Sonogno ist überschaubar und in wenigen Minuten durchwandert. Obwohl man sich gefühlt am Ende der Welt befindet, herrscht hier doch ein relativ modernes Leben und buntes Treiben, schon morgens sind Cafés und Restaurant geöffnet und einige weitere Wanderer mit mir unterwegs.
Auf Grund der schweren Erreichbarkeit war das Verzascatal für Eroberer uninteressant und konnte daher viel von seiner Ursprünglichkeit bis heute bewahren. Von der naturverbundenen Lebensart und dem religiösen Glauben der Talbewohner zeugen auch die vielen kleinen Kapellen, Marterl und Marienaltäre am Wegesrand, die oftmals mit Plastikblumen geschmückt sind.
Umgeben von einem beeindruckenden Bergpanorama mit einer durchschnittlichen Gipfelhöhe von mehr als 2400 Metern führt der leichte und gut angeschriebene Wanderweg immer der Verzasca entlang, an den Dörfern Frasco, Gerra und Brione vorbei. Für mich besonders beeindruckend waren die Steinhäuser, die immer wieder auftauchten, und einen in eine andere Welt zurückversetzen. Denn nur die wenigsten dieser sehr einfach wirkenden Behausungen, «Rusticos» genannt, stehen wirklich leer – so kann es durchaus sein dass man um die Ecke biegt und eine Satellitenschüssel erspäht, während im Hinterhof ein Rasenmäher erklingt und man sich fragt, wie die Leute hier wirklich leben können, ist doch die nächste Einkaufsmöglichkeit viele Kilometer (und davon einiges an Fussmarsch) entfernt.
Die Wanderung nach Lavertezzo ist eigentlich mit 13 Kilometern und ca. 4 Stunden und 20 Minuten angeschrieben. Bleibt man von Brione aus am Flussufer und folgt nicht den Beschilderungen des Wanderwegs, ist man sehr entspannt unterwegs und diese Zeit auch mit vielen Fotostopps realistisch. Ich allerdings bin auf Grund der noch herrschenden Wintersperre dem weiss-rot markierten Weg gefolgt und hatte daher ein paar Höhenmeter extra (ca. 300 hm im Aufstieg und 500 hm im Abstieg, hierfür unbedingt 1 ½ Stunden mehr einplanen) zu bewältigen. Der Weg führt idyllisch durch den Wald, allerdings sollte man nach Möglichkeit vorher seine Wasservorräte auffüllen, ausser man weicht todesmutig wie ich auf einen der beiden kleinen Wasserfälle aus. 😊
Viele kommen ausschliesslich in diese Gegend, um ein paar Selfies am Fluss in Lavertezzo zu schiessen – und so ist die Touridichte hier sehr hoch. Nach über 6 Stunden komme auch ich erschöpft, aber glücklich, an und geniesse ein Bierchen aus einem der Grottos, das erstaunlicherweise nur 2 Franken kostet. Die beste Tageszeit fürs Fotografieren ist für die Badegumpen eher morgens, denn der Schatten zieht sich am Nachmittag tief ins Tal.
Kleiner Fun Fact am Rande: Auch im Verzascatal wird, wie eigentlich überall in der Schweiz unter Wanderern üblich, gegrüsst. Durch seine besondere geografische Lage zwischen der Schweiz, Italien und dem nahen Südtirol, war ich aber doch teilweise sehr verwirrt. Neben dem obligatorischen «Grüezi» gab es auch das bayerische «Servus», das deutsche «Hallo», das österreichische «Griass eich», das italienische «Ciao» und zu späterer Stunde sogar «Buona sera» zur hören. Wie soll man da nur antworten? 😊