Das erste Mal begegnete er mir im Kleinwalsertal, das zweite Mal im Paznaun und bei meinem Besuch in Innsbruck gehörte er dann schon fest zum Ritual nach dem Abendessen: der Enzian Schnaps.
Der armomatisch-bittere Wurzelbrand, auch gerne einfach nur als Enzian bezeichnet, stammt aus dem Alpenraum und ist vor allem in Tirol, wo er auch als traditionelles Lebensmittel registriert und das Wissen um die Standorte, das Ernten und das Verarbeiten im Paznaun seit 2013 als immaterielles Kulturerbe der UNESCO anerkannt ist, zu finden. Auf den Etiketten des Schnapses wird meist der blaue Enzian abgebildet, dessen Blüten aber entgegen der landläufigen Meinung nicht die Basis der Spirituose sind. Denn eigentlich werden die Wurzeln des gelben Enzians, der wesentlich grösser ist, in geringen Mengen auch die Wurzeln des Purpur-Enzians, des Ostalpen-Enzians und des Tüpfel-Enzians, verwendet. Die streng geschützten Pflanzen, die über eineinhalb Meter hoch und bis zu 60 Jahre alt werden können, werden auch Hochstauden-Enziane genannt.
Entgegen der vorherrschenden Meinung werden nicht die Blüten des blauen…
...sondern die Wurzeln des gelben Enzian für den Schnaps verwendet!
Als Wurzelbrand werden beim Enzian Schnaps die gehackten Wurzeln in Maische angesetzt und destilliert. Für einen Liter mit einem Mindestalkoholgehalt von 17,3 °Volumenprozent benötigt man etwa 60 bis 70 Wurzelstöcke. Seinen Ruf als Heilpflanze hat der Enzian schon seit dem 1. Jhd. nach Chr. Die Herstellung von Enzian Schnaps dürfte bis ins Hochmittelalter zurückgehen uns ist ab dem 17. Jahrhundert sowohl im bäuerlichen, als auch im klösterlichen Bereich nachweisbar. Mit seinen verdauungsfördernden, antiseptischen und angeblich auch fiebersenkenden Eigenschaften durfte und darf der Enzian auch heute in keiner Hausapotheke, beziehungsweise in keiner Hausbar, fehlen.
Eine Besonderheit ist uns noch im Paznaun begegnet: Hier werden seit 1747 per Losentscheid jedes Jahr am Galtürer Kirchtag im September dreizehn Familien der Gemeinde ausgewählt, die an der Ernte teilnehmen dürfen. Diese sind dann für die drei folgenden Jahre gesperrt, so dass auch andere Familien die Chance auf die begehrten Ernteerlaubnisse erhalten. Hier wird übrigens der Tüpfel-Enzian geerntet, und zwar ausschliesslich am 1. Oktober und pro Familie maximal 100 Kilo der begehrten Wurzel. Dadurch ist die begehrte Spezialität nicht verkäuflich und es ist wirklich etwas ganz besonderes, wenn man von den Einheimischen auf einen „echten Enzian“ eingeladen wird.
Jetzt habe ich wieder was, worauf ich mich beim nächsten Silvester in den Bergen freue. Auch wenn es nicht in der Schweiz ist, sollte e sowas ja auch on Südtirol geben